Botox (Botulinumtoxin A) wird nicht nur gegen Falten, sondern auch gegen Migräne und Spastiken eingesetzt. Nun konnten Forscher zeigen, dass wiederholte subkutane Injektionen mit dem Nervengift auch wirksam bei neuropathischen Schmerzen sind.

 

Botulinumtoxin A, besser bekannt als Botox, zählt zu den wirksamsten natürlichen Nervengiften. Seit langem wird es erfolgreich gegen Schielen, übermäßiges Schwitzen oder Muskelspastiken eingesetzt. Bekannt geworden ist der Wirkstoff allerdings durch seinen Einsatz gegen Mimikfalten. Nun konnten Forscher nachweisen, dass wiederholte subkutane Injektionen des Nervengifts die Intensität von neuropathischen Schmerzen wirksam reduzieren können. Botox könnte damit zukünftig zu einer wichtigen Therapieoption werden, da die gängigen Medikamente gegen Neuropathien wie trizyklische Antidepressiva, Duloxetin, Gabapentin, Pregabalin oder retardierte Opioide häufig nicht vertragen werden.

 

Neuropathische Schmerzen schwer behandelbar

Millionen Menschen in Deutschland leiden unter neuropathischen Schmerzen. Dabei kommt es meist zu brennenden Schmerzen, aber auch zu anderen Missempfindungen wie Taubheitsgefühlen. Oft kann schon eine leichte Berührung als schmerzhaft empfunden werden. Die Schmerzen entstehen durch eine Schädigung von Nervenstrukturen, welche die Körperwahrnehmungen an das Gehirn weiterleiten. Die lädierten Nerven entwickeln dabei eine Eigenaktivität und senden elektrische Impulse an das ZNS, wo sie als Schmerz wahrgenommen werden. Häufig betroffen sind Patienten mit Diabetes, Nervenverletzungen, amputierten Gliedmaßen oder Rückenmarksverletzungen.

 

Für ihre Studie teilten die Forscher vom Universitätsklinikum Würzburg 152 Patienten in zwei Gruppen ein. Bei einer Gruppe spritzten die Ärzte im Abstand von 1,5 bis 2 Zentimetern je fünf Einheiten Botox unter die Haut. Nach zwölf Wochen wurden die Botox-Injektionen wiederholt. Die Placebogruppe erhielt Injektionen mit Kochsalzlösung. „Wir konnten zeigen, dass Botulinumtoxin A die Schmerzintensität, verglichen mit Placebo, signifikant reduziert“, erklärt Professor Claudia Sommer, leitende Oberärztin der Neurologischen Klinik und Poliklinik am Unversitätsklinikum Würzburg und Co-Autorin der Studie.

 

Botox als zukünftige Behandlungsoption

Dennoch sei es zu früh, um Botox im klinischen Alltag gegen neuropathische Schmerzen einzusetzen, kommentiert Professor Hans-Christoph Diener, Pressesprecher der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), die Ergebnisse: „Die Therapie ist derzeit noch nicht zugelassen und kann nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen verordnet werden. Die Anwendung sollte auch nach einer eventuellen Zulassung auf Spezialsprechstunden für Botox und große neurologische Kliniken beschränkt bleiben.“

Botulinumtoxin wird aus dem Bakterium Chlostridium botulinum gewonnen. Es verhindert, dass Nervenfasern den Botenstoff Acetylcholin freisetzen. Direkt in die Muskeln gespritzt, fehlt den Muskeln damit der Befehl, sich zusammenzuziehen: Sie entspannen sich. Doch Botox wirkt offenbar nicht nur über die Muskelentspannung, denn das Mittel lindert Schmerzen schneller als sie die Muskelverkrampfung löst. Offensichtlich beeinflusst Botox die Schmerznerven also auch unmittelbar.


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Aktuelle Studie: Botulinumtoxin A, eine therapeutische
Alternative gegen neuropathische Schmerzen
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Chronische Schmerzen durch Nervenschädigungen oder -erkrankungen belasten Betroffene sehr. Doch eine Studie zeigt: Eine Behandlung mit Botox könnte ihnen helfen

 

Chronische neuropathische Schmerzen belasten allein in Deutschland Millionen Patienten – bei begrenzten therapeutischen Möglichkeiten. „Viele Patienten vertragen die gängigen Medikamente zur symptomatischen Therapie nicht oder haben Kontraindikationen“, sagt Prof. Claudia Sommer aus der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums Würzburg. Sie ist Co-Autorin einer aktuellen klinischen Studie, in der Botulinumtoxin A – umgangssprachlich Botox – als wirksame und sichere Alternative für diese Patienten vorgeschlagen wird. In der Untersuchung konnten wiederholte subkutane Injektionen des Nervengifts die Schmerzintensität reduzieren.

 

Die Schmerzen entstehen durch Nervenschädigung oder -erkrankung

Neuropathische Schmerzen entstehen durch Schädigung oder Erkrankung von Nervenstrukturen, die Körperwahrnehmungen an das Gehirn weiterleiten. Die lädierten Nerven entwickeln eine Eigenaktivität und senden elektrische Impulse ans ZNS, die dort als Schmerz wahrgenommen werden. Der chronisch neuropathische Schmerz ist meistens die Folge einer anderen chronischen Krankheit: Häufig betroffen sind zum Beispiel Patienten mit Diabetes mellitus, Nervenverletzungen, amputierten Gliedmaßen oder Rückenmarksverletzungen. Die Erkrankten quälen brennende Dauerschmerzen und spontan einschießende Schmerzattacken. Viele beschreiben ein Taubheitsgefühl in der betroffenen Region, gleichzeitig kann schon eine leichte Berührung wehtun. Das geht auf Kosten des Schlafs und der Lebensqualität und führt häufig zur Arbeitsunfähigkeit.

Botox hat sich in den vergangenen Jahren in der Neurologie bewährt

 

Botulinumtoxin A – kurz Botox – ist vielen als Lifestylemedikament zur Faltenbehandlung bekannt. Das Nervengift hat sich in den vergangenen Jahren aber auch für zahlreiche Anwendungen in der Neurologie bewährt. Laut den im April veröffentlichten Leitlinien der amerikanischen neurologischen Fachgesellschaft American Academy of Neurology zählen dazu Spastik nach Schlaganfall, Rückenmarks- und Nervenverletzungen, Verkrampfungen und Fehlhaltungen bei Dystonie oder der Blepharospasmus, ein willkürlich nicht zu beherrschender Lidkrampf. Unabhängig von seinem muskellähmenden Effekt wirkt Botulinumtoxin schmerzlindernd. Seit 2011 ist es in Deutschland für die Therapie chronischer Migräne zugelassen. Zur schmerzlindernden Wirkung von Botulinumtoxin A bei neuropathischen Schmerzen fehlten allerdings bisher Daten mit guter Evidenz.

 

Alternative Therapieoptionen notwendig

Wenn Nerven Schmerzen verursachen, bringt das auch die behandelnden Ärzte immer wieder an die Grenzen ihrer Möglichkeiten. „Unsere Behandlungsoptionen sind derzeit leider unbefriedigend“, sagt Sommer. „Es gibt viele Patienten mit chronischen neuropathischen Schmerzen durch periphere Nervenläsionen oder Polyneuropathien, die die gängigen Medikamente zur symptomatischen Therapie nicht vertragen oder Kontraindikationen haben“, so die Expertin. „Für diese Patienten bräuchten wir dringend eine wirksame Alternative.“

 

Subkutane Injektionen ins schmerzende Areal

Eine im Mai im Fachmagazin Lancet Neurology veröffentlichte Studie, an der Prof. Sommer als Co-Autorin mitgewirkt hat, rückt Botulinumtoxin A als mögliche Alternative in den Fokus. Die Studienteilnehmer hatten seit mindestens sechs Monaten täglich neuropathische Schmerzen, überwiegend in Hand oder Unterarm beziehungsweise Fuß oder Knöchel. Bei den meisten war der Schmerz Folge eines Traumas oder einer Operation.  

Etwa die Hälfte der Probanden erhielt Botulinumtoxin-A-Injektionen in die schmerzende Körperregion. Die Ärzte spritzten im Abstand von eineinhalb bis zwei Zentimetern je fünf Einheiten Botulinumtoxin A unter die Haut. Nach zwölf Wochen wurde das Procedere wiederholt. Die Placebogruppe bekam entsprechende Kochsalzinjektionen.

 

Deutlich weniger Schmerzen

„Wir konnten zeigen, dass Botulinumtoxin A die Schmerzintensität – verglichen mit Placebo – signifikant reduziert“, erklärt Sommer. Der von den Probanden berichtete Schmerzgrad auf einer Skala von 0 (kein Schmerz) bis 10 (maximal vorstellbarer Schmerz) fiel in der Botulinumtoxin-A-Gruppe von 6,5 Punkten vor der Behandlung auf 4,6 Punkte in Woche 24 – also zwölf Wochen nach der zweiten Botulinumtoxin-Gabe. In der Placebogruppe sank der mittlere Schmerzgrad nur geringfügig von 6,4 auf 5,8 Punkte. Der Effekt war anhaltend. Eine zweite Gabe von Botulinumtoxin verstärkte den schmerzlindernden Effekt.  

Patienten mit Allodynie, denen schon leichte, für gesunde Menschen völlig harmlose Berührungen wehtun, sprachen besonders gut auf die Botulinumtoxin-Injektionen an. Abgesehen von Schmerzen bei der Injektion dokumentierten die Ärzte keine unerwünschten Wirkungen.

http://www.vitanet.de/aktuelles/gehirn-nerven-psyche/20160722-botox-gegen-schmerzen



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