Small-Fiber-Neuropathie: Ein Blick auf die Schmerzforschung


Die Forschung zu Small-Fiber-Neuropathien bei rheumatischen Erkrankungen ist noch jung.

 

Viele Patienten mit rheumatischen Erkrankungen und Fibromyalgie leiden unter brennenden Schmerzen der Extremitäten, Sensibilitätsstörungen und weiteren Problemen des vegetativen Nervensystems, die sich mit Herzrasen, frühem Sättigungsgefühl beim Essen, Blasenentleerungsstörungen oder trockener Haut äußern können.

Bisher gab es nur wenige Therapiemöglichkeiten.

Doch eine Studie aus Würzburg (2013) eröffnete Hoffnung für Betroffene:

In Hautbiopsien von Patienten mit Fibromyalgie wurden Zeichen einer Small-Fiber-Neuropathie nachgewiesen. Die Small-Fiber-Neuropathie ist eine spezielle Form der Polyneuropathie, die ausschließlich die kleinen vegetativen und sensiblen Nervenfasern betrifft. Als Reaktion auf diese neuen Erkenntnisse wurde die Small-Fiber-Neuropathie auch bei zahlreichen anderen rheumatischen Erkrankungen untersucht. Dabei fand sich ein vergleichsweise häufiges Vorkommen der Small-Fiber-Neuropathie bei rheumatischen Erkrankungen wie dem systemischen Lupus erythematodes und dem Sjögren-Syndrom.

Laut einer aktuellen Studie hat jeder vierte Betroffene mit Sjögren-Syndrom auch Polyneuropathien. Die Schädigungen zeigen sich unter anderem durch Kribbeln der Hände, Taubheitsgefühlen in den Füßen und Schmerzen. Wenn Nerven betroffen sind, die Muskeln steuern, können Lähmungen an Armen und Beinen auftreten. Unklar ist allerdings weiterhin, ob die Small-Fiber-Neuropathie bei rheumatischen Erkrankungen auf einem ähnlichen, möglicherweise entzündlichen Schaden der Nervenfasern beruht oder ob es krankheitsspezifische Schädigungsmuster gibt.

Small-Fiber-Neuropathie – ein junges Forschungsgebiet

Die Forschung zu Small-Fiber-Neuropathien bei rheumatischen Erkrankungen ist noch jung. Deshalb gibt es aufgrund des jungen Alters dieses Forschungsbereiches bisher keine guten Daten. Für Empfehlungen greifen Ärzte daher hauptsächlich auf die Erfahrungen aus dem Bereich des Diabetes mellitus zurück. Therapie der ersten Wahl ist eine Behandlung der Grunderkrankung.

 

Bei rheumatischen Erkrankungen ist dies oft eine immunsuppressive oder immunmodulierende Therapie.

Sollte das die Beschwerden nicht ausreichend lindern, werden zur symptomatischen Schmerzbehandlung Antidepressiva (zum Beispiel Amitriptylin, Duloxetin, Venlafaxin), Epilepsiemedikamente (zum Beispiel Gabapentin, Pregabalin und neu auch Lacosamid) oder Pflaster (zum Beispiel Capsaicin) eingesetzt. Neben diesem recht speziellen Aspekt zum Thema Schmerzen bei rheumatischen Erkrankungen spielen aber auch andere Schmerzen eine Rolle.

 

Ein Überblick über die verschiedenen Arten von Schmerzen und die entsprechenden Beschwerden. Als Ursache für Schmerzen in der Rheumatologie werden drei Ursachen diskutiert:

Entzündung im Sinne einer aktiven entzündlichen Aktivität im schmerzenden Gewebe,

Schaden im Sinne einer strukturellen Schädigung von Gewebe, der zu Schmerzen führt,

Schmerzverarbeitung im Sinne der Wahrnehmung und Verarbeitung im Nervensystem.

Bedeutung bei rheumatoider Arthritis

 

Gerade bei Betroffenen mit rheumatoider Arthritis können diese drei Ursachen in der Praxis nicht immer verlässlich unterschieden werden, sind aber von großer Bedeutung für die Therapie.

Werden die Schmerzen durch eine aktive Entzündung im Gelenk ausgelöst, ist der Beginn der Beschwerden oft abrupt und geht mit einer Schwellung und Rötung des entsprechenden Gelenks einher.

Schmerzen aufgrund von strukturellen Schäden treten oft im Verlauf der Erkrankung auf, wenn klinisch und radiologisch Schäden an den Knochen nachweisbar sind.

Oft treten auch im Verlauf der Erkrankung Veränderungen in der Schmerzverarbeitung auf. Schmerzen können chronifizieren und die individuelle Antwort einer Person auf einen gewissen Schmerzreiz kann im Verlauf zu einer zunehmenden Sensibilisierung für Schmerzen führen.

Mögliche Auslöser

Medikamente in der Rheumatologie, von denen bekannt ist, dass sie Nervenschädigungen hervorrufen können.

TNF-α-Antagonisten; Leflunomid; Sulfasalazin; (Hydroxy-)Chloroquin; Colchicin; Dapson; Statine; Amiodaron; Fluorchinolone; Methotrexat

 

Entzündliche Ursachen

Besonders häufig sind in der Rheumatologie neuropathische Schmerzen durch eine Polyneuropathie, also einer Schädigung vieler Nervenzellen, oder im Besonderen durch eine Mononeuritis multiplex, einer Schädigung mehrerer Nervenstämme unterschiedlicher Lokalisation. Dies betrifft besonders Menschen, die an einer Vaskulitis leiden, denn hier können durch eine Entzündung in den Gefäßen auch benachbarte Nerven geschädigt werden. Aber auch eine rheumatoide Arthritis oder ein Sjögren-Syndrom kann eine Polyneuropathie auslösen. Als Ursachen werden chronische Entzündungsreaktionen gesehen, auch wenn ein genauer Mechanismus nicht bekannt ist.

 

Oft lassen sich Schmerzen bei rheumatischen Erkrankungen aber nicht einer bestimmten Dimension zuordnen. Sie setzen sich vielmehr aus der Interaktion der individuellen Faktoren zusammen, also beispielsweise aus rheumatischer Krankheitsgeschichte, psychischen Ressourcen, sozialem Umfeld, Begleiterkrankungen und Medikation. Deshalb braucht es zusätzlich zu einem Rheumatologen, der die (entzündliche) Aktivität der rheumatischen Grunderkrankung auf ein Minimum reduziert, auch oft einen Schmerztherapeuten. Dieser kann begleitend mit einer multimodalen Schmerztherapie ansetzen, die auf pharmakologischen, physio- und verhaltenstherapeutischen Maßnahmen besteht. Insbesondere muss man berücksichtigen, dass Menschen, die an einer rheumatischen Erkrankung leiden, auch unter Schmerzen als unerwünschte Nebenwirkung von Medikamenten leiden können. 

 

Autorin: Dr. Elise Siegert ist internistische Rheumatologin der Charité-Klinik mit Schwerpunkt Rheumatologie und Klinische Immunologie in Berlin.

Arten von Schmerzen und ihre Symptome

Schmerzen: Nozizeptive

Ursache: Physiologischer Schmerzreiz durch Gewebeschädigung

Beschwerden: Akut einsetzender Schmerz in variabler Intensität

Schmerzen: Neuropathische

Ursache: Schädigung von Nerven

Beschwerden: Kribbeln, brennen, elektrisch einschießender Schmerz, ausstrahlend, durch harmlose Reize ausgelöst

Schmerzen: Somatische

Ursache: Schädigung von Haut, Muskeln,Gelenken, Knochen, Bindegewebe

Beschwerden: Stechend, wenn oberflächlich, drückend oder bohrend, wenn in tiefen Geweben

Schmerzen: Viszerale

Ursache: Schädigung von inneren Organen

Beschwerden: Dumpfe, bohrende Schmerzen, oft kolikartig

Schmerzen: Psychogene

Ursache: Unbewältigte Probleme

Beschwerden: Oft Kopfschmerzen, muskuläre Schmerzen, Rücken- oder Bauchschmerzen

Schmerzen: Reflektorische

Ursache: Fehlregulation, Fehlhaltung

Beschwerden: Zum Beispiel komplexes regionales Schmerzsyndrom (CRPS), Migräne, Rücken- oder Spannungskopfschmerzen

Quelle: Internisten im Netz

 

https://www.rheuma-liga.de/unser-einsatz/rheumaforschung/aktuelles-aus-der-rheumaforschung/detailansicht/small-fiber-neuropathie-ein-blick-auf-die-schmerzforschung

 


       Small-Fiber-Neuropathie

Kutane Manifestationen als erster Hinweis

                                                                                                                                                                                    https://www.medical-tribune.de/medizin-und-forschung/artikel/kutane-manifestationen-als-erster-hinweis/?fbclid=IwAR3WBn_CUqZAx1YuHS2qr6lIbCK-VrAChZ6ZlsIUo95PxGIKtl95XmCg5Og

 

Schmerzen, Kribbeln, Juckreiz – was viele Betroffene eher Hautirritationen zuordnen, können auch Symptome einer Small Fiber Neuropathie sein. Oft vergehen allerdings Jahre, bis die Diagnose anhand der Nervenfaserdichte gestellt wird.

Patienten mit einer Small-Fiber-Neuropathie suchen häufig als erstes den Dermatologen auf, da diese Form der Polyneuropathie unter anderem Dysästhesien verursacht, welche die Betroffenen als Hautirritationen interpretieren. Zudem ist sie mit weiteren kutanen Manifestationen assoziiert.

Ursächlich liegt der Neuropathie eine Schädigung der un- und dünn-myelinisierten Nervenfasern (C und Ad) der Haut zugrunde, die u.a. für Schmerzwahrnehmung und -weiterleitung verantwortlich sind, erläutern die Dermatologen Dr. Andressa Akabane und Dr. Gideon Smith von der Harvard Medical School und dem Massachusetts General Hospital in Boston. Da die Erkrankung allerdings selbst unter Spezialisten noch relativ unbekannt ist, dauert es häufig, bis die Ursache der Beschwerden gefunden ist. Hinzu kommt, dass der Diagnosegoldstandard, die Quantifizierung der epidermalen Nervenfaserdichte an Hautbiopsaten, insbesondere im Anfangsstadium oft noch uneindeutig ausfällt.

FAST JEDER PATIENT HATTE HAUTSYMPTOME

Ohne Kenntnis der typischen Hautmanifestationen wird die Small-Fiber-Neuropathie weiter eine Ausschlussdiagnose bleiben, so die Experten. Das wollen sie ändern: Welche Hautauffälligkeiten bei der Erkrankung gefunden werden können, untersuchten sie anhand der Daten von 301 Patienten (190 davon weiblich) mit einer bioptisch bestätigten Small-Fiber-Neuropathie. Alle waren zwischen 2000 und 2019 an zwei Bostoner Kliniken betreut worden. Das mediane Alter der Patienten betrug 51 Jahre. In 36 % bzw. 35 % der Fälle war die Neuropathie idiopathischer bzw. autoimmuner Natur (z.B. Sjögren-Syndrom).

97 % der Studienteilnehmer wiesen mindestens eine dermatologische Manifestation auf, die häufig die distalen Extremitäten stärker als die proximalen betrafen, berichten Dr. Akabane und Dr. Smith. Etwa 84 % klagten über Hautschmerzen, die als brennend, einschießend oder stechend beschrieben wurden, 61 % über ein Taubheitsgefühl. Weitere sensorische Störungen umfassten

 

Kribbelparästhesien, Juckreiz, Allodynie sowie Trigeminusneuralgie.

Auch autonome Funktionsstörungen beobachteten die Forscher bei vielen Betroffenen: Je etwa ein Fünftel litt unter Anomalien der Schweißproduktion (Hyper-/Hypo-/Anhidrose) oder distal betonten Ödemen, 18 % unter Hautveränderungen (z.B. Rötungen oder Verfärbungen) und 14 % unter Sicca-Symptomen (auch ohne Sjögren). Raynaud-Phänomen, Erythromelalgie, Barrierestörungen wie Ekzeme oder Hauttrockenheit, Rosacea, Haarverlust, Hautulzera, Phlegmonen, Vernarbungen sowie Nageldystrophien zählten ebenfalls zum dermatologischen Symptomspektrum.

Das Muster der Hautmanifestationen erscheint aufgrund der axonalen Nervenschädigung logisch, so die Experten. Zwischen dem Auftreten der Symptome und der Diagnose anhand der Nervenfaserdichte unterhalb des Grenzwertes vergingen in der Kohorte median vier Jahre. Brennende Schmerzen, Taubheitsgefühl, Parästhesien, Ödeme, Haarverlust etc. an den distalen Extremitäten sollten den Verdacht bereits vorher auf die Erkrankung lenken, fassen sie ihre Beobachtungen zusammen.