Axonopathie


Axonopathien sind eher distal lokalisiert, sie können symmetrisch oder asymmetrisch sein.

Symmetrische Axonopathien entstehen oft durch toxisch-metabolische Störungen. Häufige Ursachen sind:

Diabetes mellitus

Chronische Niereninsuffizienz

 

Unerwünschte Wirkungen von Chemotherapeutika (z. B. Vinca-Alkaloide)

Die Axonopathie kann eine Folge von Ernährungsdefiziten sein (am häufigsten Thiamin oder Vitamin B6, Vitamin B12 oder Vitamin E) oder durch exzessive Aufnahme von Vitamin B6 oder Alkohol entstehen. Seltenere metabolische Ursachen sind Hypothyreose, Porphyrie, Sarkoidose und Amyloidose. Andere Ursachen können bestimmte Infektionen (z. B. Lyme-Borreliose), Substanzen (z. B. Stickstoffmonoxid) und die Exposition gegenüber bestimmten Chemikalien (z. B. Agent Orange, n-Hexan) oder Schwermetallen (z. B. Blei, Arsen, Quecksilber) sein.

Bei einem paraneoplastischen Syndrom in Assoziiation mit einem kleinzelligen Bronchialkarzinom führt der Ausfall der Hinterwurzelganglien und ihrer sensorischen Axone zu einer subakuten sensorischen Polyneuropathie.

Primäre axonale Funktionsstörungen können mit Symptomen einer Störung dicker und/oder dünner Fasern beginnen. Üblicherweise weist die resultierende Neuropathie ein distales, symmetrisches, strumpf- oder handschuhförmiges Verbreitungsmuster auf; sie betrifft gleichmäßig die unteren vor den oberen Extremitäten und schreitet symmetrisch von distal nach proximal fort.

Asymmetrische Axonopathien können die Folge von parainfektiösen oder vaskulären Störungen sein.

 

Diagnose

Elektrodiagnostische Testung

Labortests, die durch den vermuteten Typ der Neuropathie festgelegt werden

Eine Polyneuropathie ist bei Patienten mit diffusen oder multifokalen sensorischen Defiziten, Schwäche ohne Hyperreflexie oder beidem anzunehmen. Wenn die Befunde allerdings relativ diffus sind, aber asymmetrisch begonnen haben, kann die Ursache eine multiple Mononeuropathie sein. Ärzte müssen die Patienten um eine gründliche Beschreibung des Symptombeginns bitten, um festzustellen, ob die Symptome symmetrisch oder asymmetrisch begannen. Beispielsweise sollten die Patienten gefragt werden, ob die Symptome in beiden Füßen etwa gleichzeitig (symmetrisch) oder in einem Fuß, dann in einer Hand, dann im anderen Fuß (asymmetrisch) auftraten.

 

Klinische Befunde, v. a. wie schnell die Störung eingesetzt hat, unterstützen die Ärzte bei der Diagnosestellung und der Identifikation der Ursache der Polyneuropathie wie folgt:

  • Asymmetrische Neuropathien deuten auf eine Vaskulitis hin.

  • Symmetrische, distale Neuropathien sprechen für toxische oder metabolische Ursachen.

  • Langsam fortschreitende, chronische Neuropathien sind eher vererbt oder Folge von toxischer Langzeitexposition oder metabolischen Störungen.

  • Akute Neuropathien sprechen für eine autoimmune Ursache, eine Vaskulitis, ein Toxin, eine Infektion oder eine postinfektiöse Ursache oder möglicherweise ein Arzneimittel oder eine Krebserkrankung.

  • Hauteffloresenzen, Hautulzera und ein Raynaud-Syndrom bei Patienten mit asymmetrischer axonaler Neuropathie deuten auf eine Hyperkoagulabilität des Blutes oder eine parainfektiöse oder autoimmune Vaskulitis hin.

  • Gewichtsabnahme, Fieber, Lymphadenopathie und Massenläsionen sprechen für einen Tumor oder ein paraneoplastisches Syndrom.

Axonopathien sollten bei allen Patienten mit Polyneuropathie in Betracht gezogen werden.

Elektrodiagnostische Testung

Unabhängig von den klinischen Befunden sind eine Elektromyographie (EMG) und Untersuchungen der Nervenleitung zur Klassifizierung des Typs der Neuropathie notwendig. Zumindest sollte ein EMG von beiden unteren Extremitäten durchgeführt werden, um eine Asymmetrie und das gesamte Ausmaß des Axonverlusts zu überprüfen.

Weil EMG und Untersuchungen der Nervenleitung vorrangig dicke myelinisierte Fasern in den distalen Extremitäten beurteilen, kann das EMG bei Patienten mit proximaler Myelinfunktionsstörung (z. B. früh im Verlauf eines Guillain-Barré-Syndroms) und bei Patienten mit primärer Funktionsstörung von dünnen unmyelinisierten Fasern normal ausfallen. In solchen Fällen können je nach den vorliegenden Symptomen quantitative sensorische oder autonome Tests, die in spezialisierten Testzentren durchgeführt werden, oder eine Hautstanzbiopsie durchgeführt werden.

Labortests

Baseline-Labortests für alle Patienten umfassen

  • Komplettes Blutbild

  • Elektrolyte

  • Nierenfunktionstests

  • Rapid-Plasma-Protein-Test

  • Messung der Nüchternplasmaglukose, des glykosylierten Hämoglobins (HbA1C) und manchmal ein zweistündiger Glukosetoleranztest

  • Vitamin-B12- und Folatspiegel

  • Thyreoidea-stimulierendes Hormon (TSH)

Einige Untersucher schließen eine Serumproteinelektrophorese ein. Die Notwendigkeit anderer Untersuchungen wird durch den Polyneuropathie-Subtyp (groß- oder kleinfaserig) bestimmt. Wenn EMG und klinische Differenzierung nicht schlüssig sind, können Tests für alle Subtypen notwendig sein.

Die Vorgehensweise bei Patienten mit akuten Neuropathien durch Myelinfunktionsstörung ist dieselbe wie bei Patienten mit Guillain-Barré-Syndrom: die forcierte Vitalkapazität wird gemessen, um ein drohendes Atemversagen zu überprüfen. Bei akuten oder chronischen Myelinfunktionsstörungen werden Untersuchungen auf Infektionskrankheiten und Immunstörungen, inkl. Untersuchungen auf Hepatitis und HIV, und eine Serumelektrophorese durchgeführt. Auch eine Lumbalpunktion sollte durchgeführt werden; eine Myelinfunktionsstörung aufgrund einer Autoimmunreaktion verursacht häufig eine zytoalbuminäre Dissoziation: erhöhtes Liquorprotein (> 45 mg%), jedoch normale Leukozytenwerte ( 5/mcL).

Bei Schädigung der Vasa nervorum oder asymmetrischen axonalen Polyneuropathien sollten Untersuchungen auf Hyperkoagulabilität des Blutes und parainfektiöse oder autoimmune Vaskulitis durchgeführt werden, v. a. wenn dies aufgrund der klinischen Befunde vermutet werden kann. Das Minimum an Tests beinhaltet

  • Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit

  • Serum-Protein-Elektrophorese

  • Messung des Rheumafaktors, der antinukleären Antikörper und von Kreatinkinase im Serum

Die CK kann bei schnellem Beginn der Krankheit als Folge einer Muskelschädigung erhöht sein.

Weitere Untersuchungen hängen von der vermuteten Ursache ab.

  • Gerinnungstests (z. B. Spiegel von Protein C, Protein S, Antithrombin III, Anticardiolipin-Antikörpern und Homocystein) sollten nur dann durchgeführt werden, wenn anamnestische oder familienanamnestische Hinweise auf eine Hyperkoagulabilität des Blutes vorliegen.

  • Tests auf Sarkoidose, Hepatitis C oder Granulomatose mit Polyangiitis (früher bekannt als Wegener-Granulomatose) sollten nur durchgeführt werden, wenn die Symptomatik eine dieser Störungen nahelegt.

  • Wenn keine Ursache identifiziert wird, sollte eine Nerven- und Muskelbiopsie durchgeführt werden.

In der Regel wird ein betroffener N. suralis biopsiert. Es kann ein Muskelstück neben dem biopsierten N. suralis oder ein Stück aus den Mm. quadriceps femoris, biceps brachii oder deltoideus biopsiert werden. Gewählt werden sollte ein Muskel mit mäßiger Parese, der vorher nicht mit einem Nadel-EMG untersucht wurde (um eine Verwechslung mit Artefakten durch die Nadel zu vermeiden). Eine Anomalie wird häufiger erkannt, wenn der kontralaterale Muskel EMG-Anomalien aufweist, insbesondere wenn die Neuropathie einigermaßen symmetrisch ist. Nervenbiopsien sind nützlich bei symmetrischen und asymmetrischen Polyneuropathien, sie haben jedoch besonderen Nutzen bei asymmetrischen Axonopathien.

Wenn die ersten Tests die Ursache der distalsymmetrischen Axonopathien nicht identifizieren, wird eine 24-Stunden-Sammelurin-Untersuchung auf Schwermetalle getestet und eine Urinproteinelektrophorese durchgeführt, um auf Arsen zu prüfen. Bei V. a. chronische Schwermetallvergiftung kann die Untersuchung von Scham- oder Achselhaaren bei der Diagnosestellung helfen.

Ob Tests auf andere Ursachen benötigt werden, hängt von der Anamnese und den Befunden der körperlichen Untersuchung ab.

Therapie

  • Die Behandlung ist kausal ausgerichtet.

  • Unterstützende Behandlung

Die Behandlung einer Poyneuropathie zielt nach Möglichkeit auf die Korrektur der Ursachen ab; ein verursachendes Medikament oder Toxin kann eliminiert oder ein Ernährungsdefizit ausgeglichen werden. Auch wenn diese Maßnahmen eine Progression verhindern und Symptome lindern können, verläuft die Genesung meist langsam und kann unvollständig bleiben.

Wenn die Ursache nicht korrigiert werden kann, zielt die Behandlung auf die Minimierung der Behinderung und der Schmerzen ab. Physio- und Ergotherapeuten können nützliche technische Hilfen empfehlen. Trizyklische Antidepressiva wie Amitriptylin oder Antikonvulsiva wie Gabapentin eignen sich zur Linderung neuropathischer Schmerzen (z. B. brennende Füße bei Diabetes).

Für Polyneuropathien durch Myelinfunktionsstörungen werden üblicherweise Behandlungen eingesetzt, die das Immunsystem modulieren:

  • Plasmaaustausch oder i.v.-Immunglobulin bei akuter Myelinfunktionsstörung

  • Plasmaaustausch oder i.v. Immunglobulin, Kortikosteroide oder Antimetaboliten bei chronischer Myelinfunktionsstörung

     

     

     

https://www.msdmanuals.com/de-de/profi/neurologische-krankheiten/st%C3%B6rungen-des-peripheren-nervensystems-und-der-motorischen-einheit/polyneuropathie