Die Quantitativ Sensorische Testung, kurz QST, ist ein Untersuchungsverfahren,
das eine umfassende Analyse der veränderten Hautsensibilität von Patienten,
die an neuropathischem Schmerz leiden, ermöglicht. Mit einfachen Mitteln wie
Pinsel und Wattebausch können sowohl die schmerzhaften Symptome als auch
die sensiblen Defizite genau analysiert werden.
Die QST
liefert wichtige Zusatzinformationen
zum individuellen Sensibilitätsprofil,
was eine angepasste Therapie ermöglicht. Sie hat den gleichen Stellenwert wie die Hautbiopsie zur Diagnosesicherung bei Verdacht auf «Small-Fiber-Neuropathie» und ist im Vergleich
zur Hautbiopsie nicht invasiv.
veränderte Hautsensibilität
Neuropathische Schmerzen werden bekanntermaßen durch eine Schädigung
oder Erkrankung des peripheren oder zentralen Nervensystems verursacht.
Typischerweise gehen diese Schmerzen häufig mit einem veränderten, teilweise
gesteigertem Empfinden für äußerliche Reize einher. So nehmen beispielsweise
Patienten, die chronische Schmerzen nach einer Gürtelrose entwickeln
(postzosterische Neuralgie), gehäuft schon das Überstreifen von Kleidung im
betroffenen Hautareal als äußerst unangenehm oder gar schmerzhaft wahr.
Ebenso empfinden neuropathische Schmerzpatienten oftmals harmlose, für den
Gesunden nicht-schmerzhafte Wärme- oder Kältereize als extremen Schmerz.
Neben solchen positiven Symptomen wie Missempfindungen oder
Überempfindlichkeit auf Reize können sich Nervenschmerzen auch durch so
genannte negative sensorische Phänomene bemerkbar machen. Hier reagiert
der Patient auf Reize wie Wärme, Kälte, Druck, Vibration oder Berührungen
weniger empfindlich bis hin zur Taubheit.
Die beschriebenen schmerzhaften Symptome und sensiblen Ausfälle können in
beliebiger Kombination miteinander auftreten, und das ganz unabhängig von der
Grunderkrankung des Patienten.
individuelles Sensibilitätsprofil
Die charakteristisch veränderte Hautsensibilität bildet die Grundlage des QSTVerfahrens:
Die genaue Analyse der schmerzhaften sensorischen Symptome
und sensibler Defizite mittels QST liefert ein Sensibilitätsprofil des geschädigten
Areals.
Damit lassen sich wiederum Rückschlüsse auf die jeweiligen, den Beschwerden
zugrunde liegenden pathophysiologischen Mechanismen ziehen. So lässt sich
einerseits eingrenzen, welche Nervenfasertypen besonders stark geschädigt
sind und andererseits, ob die Schädigung im peripheren oder im zentralen
Nervensystem (Gehirn und Rückenmark) vorliegt. Mit der QST können erstmals
auch dünne Nervenfasern (small fibers) untersucht werden, die mit anderen
Verfahren nicht fassbar sind. Auf dieser Grundlage soll künftig eine gezielte und
auf den einzelnen Patienten zugeschnittene Therapie möglich werden.
Nervenschmerzen richtig messen
Der DFNS konnte das QST-Verfahren durch Entwicklung eines standardisierten
Untersuchungsprotokoll optimieren.¹ Alle DFNS-Zentren führen auf Basis dieses
Protokolls erfolgreich QST-Untersuchungen durch. Zertifizierte Schulungen und
Ringversuche gewährleisten das hohe Niveau dieser Untersuchungsmethode.
Der DFNS konnte zudem alters-, geschlechts-, und lokalisationsabhängige
Normwerte für die QST ermitteln.
Wie läuft die „quantitative sensorische Testung“ ab?
Die in der QST verwendeten Testgeräte ahmen mechanische Reize, wie Druck,
Berührung oder Vibrieren und Temperaturreize wie „warm“ oder „kalt“ nach. Manche der Reize – z.B. eine leichte Hautberührung mit einem dünnen Härchen – sind so gering, dass sie nicht oder gerade
eben gespürt werden.
Der Patient wird gefragt, ob er beispielsweise die leichte Hautberührung überhaupt wahrnimmt. Durch wiederholte Hautberührungen mit dickeren und dünneren Härchen wird so die
Wahrnehmungsschwelle für diesen Reiz ermittelt und mit den Messwerten gesunder Menschen verglichen. Spürt ein Patient die Berührung mit einem dickeren Härchen nicht, die andere gesunde Personen
seines Alters wahrnehmen, kann dies auf eine Nervenschädigung hinweisen. Zusammen mit anderen Informationen zur Krankengeschichte kann ein solcher Befund zur Diagnose „Nervenschmerz“ beitragen
und wichtige Hinweise für die angemessene Schmerztherapie geben, beispielsweise die Wahl des am ehesten passenden Schmerzmedikaments.
Neben leichten Berührungsreizen werden weitere Reize eingesetzt, beispielsweise
harmlose Nadelreize, die als „pieksend“ empfunden werden, oder Druckreize. Sie werden mithilfe eines Druckalgometers hervorgerufen, das einen gleichmäßig zunehmenden Druck auf Haut und tiefere
Gewebe wie die Muskulatur erzeugt. Dadurch kann jener Druck ermittelt werden, der gerade als leicht schmerzhaft empfunden wird – die individuelle „Schmerzschwelle“. Auf die gleiche Weise kann
sich der Untersucher mit Hilfe von Temperaturreizen an die individuelle Schmerzschwelle herantasten. Während der Testung soll der Patient sofort einen Stoppschalter drücken, sobald er einen
Temperaturreiz als schmerzhaft heiß oder kalt verspürt. Aber keine Sorge! Alle beschriebenen Schmerzreize liegen von ihrer Intensität her an der Schwelle zur Wahrnehmbarkeit von Schmerzen und
werden sofort beim Erreichen der ersten leicht schmerzhaften Wahrnehmung gestoppt, sodass jeder Patient sie gut aushalten kann.
Warum ist die QST so wichtig?
Die QST liefert wichtige Informationen zur Funktion der Nervenfasern in der Haut
und zur Weiterverarbeitung der Schmerzempfindung in Rückenmark und Gehirn. Die QST ergänzt dabei andere neurologische Messverfahren, zum Beispiel die Neurographie (Bestimmung der
Nervenleitgeschwindigkeit). Während mit der Messung von Nervenleitgeschwindigkeiten überwiegend die Funktion dicker Nervenfasern untersucht wird, erfasst die QST insbesondere Störungen der
dünneren Nervenfasern in der Haut. Dies ist von großer Bedeutung, weil Schmerz vor allem über diese dünnen Nervenfasern wahrgenommen wird. Die QST allein erlaubt zwar keine Schmerzdiagnose,
liefert aber wichtige Zusatzinformationen zum individuellen Schmerzprofil. Daraus kann dann auf eine verminderte Nervenfunktion durch eine Nervenschädigung geschlossen werden. Oder es ergeben
sich Hinweise auf eine Nervenüberempfindlichkeit bei anderen Schmerzerkrankungen, die ohne eine bedeutsame Nervenschädigung entstehen (z.B. Kopfschmerz, muskulärer Rückenschmerz,
Fibromyalgie).
Was passiert bei der QST?
Die standardisierte QST-Testbatterie des DFNS geht den neuropathischen
Schmerzen mit 7 Tests, bei denen insgesamt 13 Parameter erfasst werden, auf
den Grund. Die Messungen für ein betroffenes Körperareal beanspruchen etwa
30 Minuten. Zur Kontrolle wird eine QST-Messung des gleichen Areals der
entsprechenden gesunden Körperseite durchgeführt. Die Anwendungen
erfolgen ausschließlich auf der Haut:
1)
Mit Hilfe einer Thermode (Peltier-Element) werden computergesteuerte
Temperaturreize verabreicht und folgende Eigenschaften des
Temperaturempfindens erfasst:
• die Fähigkeit, Kälte und Wärme wahrzunehmen
(Wahrnehmungsschwelle für Kälte und Wärme bzw. Warm- und Kalt-
Detektionsschwelle),
• die Fähigkeit, wechselnde warme und kalte Reize voneinander zu
unterscheiden (Thermisch Sensorisches Limen),
• ob kalte Reize als heiß empfunden werden (paradoxe Hitzeempfindung)
sowie
• ab welcher Temperatur Kälte und Wärme als schmerzhaft empfunden
werden (Schwellen für Kälte- und Hitzeschmerz).
thermische QST-Testung
2)
Mittels dünner Nylonfilamente, so genannter von Frey Haare, wird getestet wie
gut der Patient feine Berührungen wahrnehmen kann (Schwelle für
Berührungswahrnehmung bzw. taktile Detektionsschwelle) .
3)
Die mechanische Schmerzschwelle prüft die Fähigkeit, spitze, stechende
Reize wahrzunehmen. Hier werden mittels Pinprick-Stimulatoren "Nadelreize"
verabreicht. Die stumpfen Nadeln können durch ihr variables Gewicht
unterschiedliche Reizempfindungen bis hin zu einem spitzen pieksenden
Schmerz erzeugen. Die Haut wird dabei nicht verletzt.
4)
Weiterhin wird die Schmerzhaftigkeit verschiedener Nadelreize erfasst
(mechanische Schmerzsensitivität bzw. Pinprick Hyperalgesie) sowie, ob
bereits leichte Berührungsreize als schmerzhaft empfunden werden
(dynamisch mechanische Allodynie):
• Mittels Pinprick-Metallstiften werden die unterschiedlichen Nadelreize
gesetzt. Der Proband beurteilt dabei die Schmerzhaftigkeit der
einzelnen Nadelreize auf einer Skala von 0-100.
• Eingestreut zwischen die Nadelreiz-Testung erfolgt die Untersuchung
der so genannten Allodynie. Hier bewertet der Proband wie schmerzhaft
er Berührungen mittels Wattebausch, Q-Tip oder Pinsel empfindet, die
beim Gesunden keinen Schmerz auslöst
5)
Die Untersuchung, ob Veränderungen des zentralen Nervensystems vorliegen,
die zu einer anhaltenden Schmerzverstärkung führen (Wind-up-Phänomen),
erfolgt ebenfalls mittels Pinprick-Verfahren: Der Proband bewertet zuerst die
Schmerzintensität eines einzelnen Nadelreizes auf einer Skala von 0-100 und
vergleicht diese anschließend mit der einer Serie von 10 Nadelreizen
hintereinander.
6)
Mit einer standardisierten Stimmgabel (Rydel-Seiffer-Vibrationsgabel) wird
getestet wie gut der Patient Vibrationen wahrnehmen kann
(Wahrnehmungsschwelle für Vibration).
7)
Die Druckschmerzschwelle wird mit Hilfe eines Druckalgometers gemessen.
Damit lässt sich bestimmen wie empfindlich Probanden auf stumpfen Druck
reagieren.
Dass das Verfahren auch verlässlich ist, hat der Deutsche Forschungsverbund Neuropathischer Schmerz (DFNS) jetzt in einer Studie belegen können!
Quelle:
http://www.neuro.med.tu-muenchen.de/dfns/patienten/QST.html
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