Viele Leute wissen nicht, dass sie an einer HMSN erkrankt sind, da oft auch Ärzte die Erkrankung nicht erkennen. Häufig ist es so, dass ein Erkrankter in einer Familie diagnostiziert wird und danach dann weitere Familienmitglieder folgen.
Da die Erkrankung aber auch sehr milde verlaufen kann, besteht durchaus die Möglichkeit, dass viele Betroffene niemals eine Diagnose bekommen. Denn wenn Symptome erst im fortgeschrittenen Alter deutlich werden, werden sie oft auch diesem Alter als ganz normale Alterserscheinung angelastet.
HMSN ist hauptsächlich Erkrankung der Nerven, bei der die isolierende Schicht um die Nerven (die sog. Myelinschicht) und/oder die Nervenfasern zugrunde gehen. Dadurch können Nervenimpulse nur sehr langsam vom Gehirn zu den entsprechenden Muskeln gelangen.
Durch die Unterversorgung der Muskulatur mit Nervenimpulsen beginnen die Muskeln zu atrophieren. Dies geschieht, obwohl die Muskeln noch bewegt werden.
Basierend auf ihrem Erbschaftsmuster unterscheidet man etwa 20 verschiedene Typen dieser Erkrankung. Diese werden in 2 Kategorien unterteilt. Die erste Kategorie ist die demyelisierende bzw. hypertrophe Form, bei der die Myelinschicht zugrunde geht und Nervenimpulse vom Gehirn zu den Muskeln nur verlangsamt ankommen. Hierbei sind auch die Nervenfasern betroffen, was zur Folge hat, dass nicht alle Nervenimpulse in den jeweiligen Muskeln ankommen.
Die zweite Kategorie ist die axonale bzw. neuronale Form der HMSN. Sie ist durch das Absterben der Nervenfasern gekennzeichnet. Die restlichen, überlebenden Nerven versuchen zwar, die Aufgaben der abgestorbenen Nervenfasern zu übernehmen, jedoch gelangen nicht alle Impulse in die Muskeln und so wird auch bei dieser Form die Muskelatrophie ausgelöst.
Innerhalb dieser beiden Kategorien gibt es unterschiedliche Typen, die wiederum noch in verschiedene Untertypen gegliedert werden. Zur ersten Kategorie (demyeliserende Form) gehören Typ 1 und Typ 4, zur zweiten Kategorie (axonale Form) wird Typ 2.
Die Forschung im Bereich der HMSN hat in den letzten Jahren sehr viele neue Erkenntnisse gebracht. So hat man inzwischen ca. 80 Gendefekte gefunden, die eine HMSN verursachen können. Und man kann davon ausgehen, dass man noch weitere Gendefekte findet.
Unter der hereditären motorisch-sensiblen Neuropathie Typ II versteht man eine chronisch
verlaufende Neuropathie, die vererbt wird und mit motorischen und sensiblen Ausfällen einhergeht.
***Unter dem Begriff „Hereditär motorisch-sensorische Neuropathien" (abgekürzt HMSN, zu Deutsch: erbliche, die Bewegungs- und Empfindungsnerven betreffende Krankheiten) fasst man eine Gruppe von Krankheiten zusammen, bei denen die peripheren Nerven langsam fortschreitend zugrunde gehen (degenerieren). Fast immer liegt dem eine Schädigung der Erbanlage (Gendefekt) zugrunde. Dabei sind die für die Steuerung der Bewegung verantwortlichen motorischen Nervenfasern meist wesentlich stärker betroffen als die für die Vermittlung von Empfindungen (Berührung, Schmerz, Temperatur, Gelenkstellung) zuständigen sensorischen Fasern. Die Funktion von Blase und Mastdarm bleibt erhalten. ***
Ätiopathogenese
Die Erkrankung wird autosomal-dominant vererbt und beruht auf degenerativen Prozessen im
Bereich des Spinalganglions, des Vorderhorns, der Radix anterior, der Radix posterior und des
Axons der peripheren Nerven.
Klinik
Die Erkrankung manifestiert sich zwischen dem fünften und zwanzigsten Lebensjahr und führt zu
einer motorischen Ungeschicklichkeit und zu einer Gangstörung. Im Laufe der Zeit entwickeln sich
distal betonte Paresen, die zunächst die untere, später auch die obere Extremität betreffen. Im
weiteren Verlauf wird die Muskulatur atrophisch.
Hohlfüße sind möglich. Hinzu kommen distal betonte Sensibilitätsstörungen.
Differenzialdiagnose
Andere vererbbare motorisch-sensible Neuropathien (z.B. die hereditäre motorisch-sensible
Neuropathie Typ I) sind als Differenzialdiagnose in Betracht zu ziehen. Es sollten aber auch
verschiedene Formen der Polyneuropathie (z.B. Guillain-Barré-Syndrom) ausgeschlossen werden.
Diagnostik
Eine in der Anamnese angegebene familiäre Belastung sowie die Klinik weisen auf die Diagnose
hin. In der Regel wird eine Elektroneurographie durchgeführt, bei der sich eine stark verminderte
Amplitude zeigt. Die Nervenleitgeschwindigkeit ist normal oder nur leicht reduziert. Zusätzlich
erfolgt eine humangenetische Untersuchung.
Therapie
Die Erkrankung wird symptomorientiert therapiert (z.B. mit Physiotherapie oder Schienen). Eine
kausale Therapie ist zur Zeit nicht möglich
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