TAUBE HÄNDE: WAS HILFT BEIM KARPALTUNNELSYNDROM?
Manuelle Belastungen können zum Karpaltunnelsyndrom führen.
Kribbeln, Brennen und Taubheitsgefühle im Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger sind typische Merkmale für das Karpaltunnelsyndrom. Dabei ist ein wichtiger Nerv des Handgelenks eingeklemmt. Vor allem am Daumen können auch bewegungsabhängige Schmerzen auftreten, die sich wie schwache elektrische Schläge anfühlen und bis in den Arm ausstrahlen können. Im fortgeschrittenen Krankheitsstadium kann es zu einer Atrophie kommen, einem Abbau der Muskulatur des Daumenballens.
Karpaltunnelsyndrom: Viele Fehldiagnosen
Visite - 17.09.2019 20:15 Uhr Autor/in: Lukas Rieckmann
Das Karpaltunnelsyndrom ist oft die Ursache für Kribbeln, Taubheitsgefühle und Schmerzen in den Fingern. Eine Behandlung ist wichtig, weil sonst Nervenfasern absterben können.
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Informationen zur Sendung
Ursachen erkennen
Die Ursache der Beschwerden liegt in einer Verengung des Karpaltunnels, einer knöchernen Rinne an der Innenseite des Handgelenks. Dort verläuft der Medianusnerv in Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger. Er ist für das Gefühl zuständig und für die Steuerung der Muskeln. Ausgelöst wird die Verengung zum Beispiel durch:
manuelle Belastungen (zum Beispiel längere Benutzung von Unterarmgehstützen, ausgedehnte Fahrradtouren)
hormonelle Veränderungen durch Schwangerschaft oder Wechseljahre
Krankheiten wie Diabetes und Schilddrüsenunterfunktion
Wenn der Karpaltunnel verengt ist
Das Karpaltunnelsyndrom ist oft die Ursache für Kribbeln, Taubheitsgefühle und Schmerzen im Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger.
Durch den Karpaltunnel verlaufen die Fingerbeugesehnen und der Hauptnervenstrang der Hand, der Medianusnerv (gelb). Den Boden des Karpaltunnels bilden die Handwurzelknochen. Nach oben wird er begrenzt durch ein Dach aus straffem Bindegewebe, dem Karpalband.
Oft sind es chronisch entzündete und dadurch angeschwollene Sehnenscheiden, die den Nerv einklemmen.
Bei der klassischen offenen Operation wird das Karpalband über dem Karpaltunnel durchtrennt. Dadurch bekommt der Nerv wieder Platz und die Beschwerden verschwinden.
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Karpaltunnelsyndrom: Einfache Tests
Oft kann der Arzt schon mit einfachen Tests erkennen, ob es sich um ein Karpaltunnelsyndrom handelt:
Beim Klopftest prüft der Arzt, ob ein Klopfreiz am Medianusnerv zu einem elektrisierenden Gefühl führt, das in die Hand einschießt.
Der Phalentest provoziert den Nerv durch ein Zusammenstauchen, das zu einem tauben, kribbelnden Gefühl in den Fingern führt.
Diagnose mit Strom und Ultraschall
Zur Diagnose eines Karpaltunnelsyndroms misst der Arzt die Leitfähigkeit der Nerven und untersucht den Bereich per Ultraschall. Zur Messung der Nervenleitfähigkeit (Elektroneurografie) schickt ein Neurologe über Elektroden schwache Stromimpulse durch den Arm. Ein Impuls auf der einen Seite des Karpaltunnels muss zu einer Muskelreaktion auf der anderen Seite führen. Ist die Leitfähigkeit gestört, spricht das für ein Karpaltunnelsyndrom. Zeigt die Untersuchung einen normalen Befund, liegt kein Karpaltunnelsyndrom vor. Eine hochauflösende Ultraschalluntersuchung des Nervs kann nützlich sein, wenn die Elektroneurografie keine klare Aussage bringt, oder wenn die Operation eines Karpaltunnelsyndroms nicht den gewünschten Erfolg bringt.
WEITERE INFORMATIONEN
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Karpaltunnelsyndrom: Diagnose und Therapie
Visite
Das Karpaltunnelsyndrom ist oft die Ursache für Kribbeln, Taubheitsgefühle und Schmerzen in den Fingern. Orthopäde Dr. Christian Sturm informiert über die Diagnose und Therapien. Video (05:43 min)
Andere Auslöser für Beschwerden ausschließen
Zeigt die Ultraschalluntersuchung keine Einengung und Schwellung des Nervs, müssen die Symptome eine andere Ursache haben:
Das kann zum Beispiel eine Autoimmunkrankheit sein, die zu Nervenentzündungen führt.
Auch verspannte Nackenmuskeln, Gelenkzysten oder verstopfte Arterien können Symptome verursachen, die zunächst auf ein Karpaltunnelsyndrom hindeuten.
Seltener kann ein Kribbeln in den Fingern auch durch einen schlecht verheilten Schlüsselbeinbruch nach einem Unfall ausgelöst werden oder durch einen bösartigen Tumor, der in die Nervengeflechte einwächst (Pancoast-Tumor).
Muskelengpass-Syndrom als Auslöser
Kann der Arzt schmerzhafte Triggerpunkte ertasten, deutet das auf ein sogenanntes Muskelengpass-Syndrom hin:
Auf seinem Weg von der Halswirbelsäule zur Hand durchläuft der Medianusnerv einige Engstellen: Am Halsansatz verläuft das Nervenbündel durch eine kleine Lücke zwischen den Skalenusmuskeln. Bei einer Einengung an dieser Stelle spricht man vom Skalenus-Syndrom.
Weiter unten kreuzt der Nerv an der Brust den Musculus pectoralis minor. Ist er verspannt, zum Beispiel durch Fehlhaltungen am Schreibtisch, kann der Nerv gequetscht werden - die Folge ist ein sogenanntes Pectoralis-Minor-Syndrom.
Beide Syndrome führen zu Missempfindungen in der Hand und teilweise auch im Arm. Ein solches Muskelengpasssyndrom ist leicht zu behandeln durch eine bessere Körperhaltung und viel Dehnung von Brust- und Halsmuskulatur.
Karpaltunnelsyndrom behandeln
Wenn die Beschwerden zunehmen, deutet das darauf hin, dass der Medianusnerv unter Druck steht. Eine Behandlung ist wichtig, weil sonst die Gefahr besteht, dass Nervenfasern unwiederbringlich absterben. Zu Beginn des Karpaltunnelsyndroms lassen sich die Beschwerden in der Regel konservativ behandeln - mit Vitamin B6, Kortison-Spritzen, manueller Therapie und einer speziell angepassten, nur nachts getragenen Armschiene.
Operation sollte nur bei eindeutiger Diagnose erfolgen
Schlägt die Behandlung nicht an, muss operiert werden. Vorher sollte allerdings die elektrophysiologische Diagnostik ein Karpaltunnelsyndrom eindeutig bestätigt haben. Immer wieder wird laut Experten operiert, obwohl die eindeutige Diagnose fehlt.
Zwei verschiedene OP-Verfahren
Beim klassischen offenen Verfahren durchtrennt der Chirurg das Karpalband am Handgelenk und das einengende Bindegewebe, um den Nerv zu befreien. Der Eingriff dauert 10 bis 15 Minuten. Probleme durch das fehlende Karpalband sind nicht zu erwarten. Im Anschluss an die Operation muss die Hand kurzfristig ruhiggestellt werden. Beim minimalinvasiven Verfahren wird ein Endoskop durch einen kleinen Schnitt am Ende des Unterarms eingeführt und in den Karpaltunnel vorgeschoben. Dort spaltet der Chirurg mit einem ausfahrbaren Messer von unten das Dach des Karpaltunnels.
Operation nicht ohne Risiken
Nach dem Eingriff ist bei Betroffenen durchaus Geduld gefragt: Manchmal dauert die Rückbildung der Beschwerden drei bis vier Monate. Falls die Beschwerden zunehmen, sollte nach zwei Monaten nochmals eine elektropysiologische Diagnostik oder gegebenenfalls eine Ultraschalluntersuchung durchgeführt werden. Beide Methoden haben Vor- und Nachteile: Bei der offenen Operation wird die Haut an einer Stelle durchtrennt, an der bei einigen Menschen feine Hautnerven verlaufen. Die Narbe kann dadurch sehr empfindlich sein. Nach einer minimalinvasiven Operation können Erkrankte ihre Hand schneller wieder benutzen, allerdings hat auch dieses Verfahren Risiken: Werden Nerven und Blutgefäße verletzt, kann das zu dauerhaften Schäden und Schmerzen führen.
Wenn die OP erfolglos bleibt
In einigen Fällen bleibt die Operation beim Karpaltunnelsyndrom erfolglos, zum Beispiel, wenn der Medianusnerv nicht am Handgelenk, sondern am Ellenbogen oder in der Halswirbelsäule eingeklemmt ist. Eine andere Krankheit, die ähnliche Symptome wie das Karpaltunnelsyndrom hervorruft, ist das Wartenberg-Syndrom. Dabei ist der Radialnerv am Unterarm eingeklemmt.
Tipps: Karpaltunnelsyndrom vorbeugen
Neutrale Handposition: Wiederholtes Beugen des Handgelenks fördert das Karpaltunnelsyndrom. Deshalb sollte man auf eine neutrale Handstellung - wie beim Händeschütteln - achten.
Gelenkschoner nutzen: Handgelenkschoner aus der Apotheke helfen, bei der Arbeit oder auch im Schlaf eine neutrale Handposition zu behalten. Das ist wichtig, weil viele Menschen mit gebeugtem Handgelenk schlafen.
Schreibtischstuhl einstellen: Den Schreibtischstuhl so einstellen, dass beim Sitzen die Unterarme auf einer Linie mit der Tastatur liegen. Hände und Handgelenke sollten dabei eine Linie mit den Unterarmen bilden. Während der Arbeit den Körper nicht dauerhaft zur Seite drehen oder beugen.
Pausen machen: Bei Tätigkeiten wie Schreiben auf einer Tastatur oder Gemüseschneiden sollte man alle 10 bis 15 Minuten eine kurze Pause einlegen, die Handgelenke dehnen und ausschütteln.
Monotone Tätigkeiten vermeiden: Bei der Arbeit nicht zu lange die gleiche Position einnehmen und, wenn möglich, alle 20 bis 40 Minuten die Tätigkeit wechseln.
Kraft sparen: Wer mit möglichst wenig Kraftaufwand arbeitet, vermeidet eine Überlastung der Handgelenke. Bei der Arbeit auf Werkzeuge in der richtigen Größe achten: Eine zu große oder zu kleine Maus kann die Handgelenke überlasten. Zum Radfahren ergonomische Lenkergriffe mit Ballenauflage montieren.
Hände warmhalten: Bei Arbeiten in einer kalten Umgebung werden die Hände eher steif und schmerzen. Daher sollten Handschuhe getragen werden.
Wassergüsse anwenden: Für zusätzliche Entspannung sorgen kalte oder lauwarme Wassergüsse, die von den Händen bis zum Unterarm geführt werden.
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Experten zum Thema
Dr. Christian Sturm, Oberarzt
Klinik für Rehabilitationsmedizin
Dr. Christian von Falk
Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie
Zentrum Radiologie
Medizinische Hochschule Hannover
Carl-Neuberg-Straße 1
30625 Hannover
www.mh-hannover.de
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Bernd Ihlefeldt (Montag, 16 Dezember 2019 11:02)
Echt guter Beitrag, habe seit geraumer Zeit damit zu kämpfen, bei der letzten Messung hat man dies nun auch beidseitig festgestellt. Linke Hand habe ich eine Zeit lang eine Schine getragen zur Nacht und die hat echt was bewirkt.
Silvia Maleu (Montag, 16 Dezember 2019 17:03)
Danke für den super Artikel.
Sehr aufschlussreich.