Ultraschall in der Neuropathie-Diagnostik

Die Nervensonografie eine sinnvolle Ergänzung zur Elektroneurografie bei Patienten mit Verdacht auf eine chronisch inflammatorische Neuropathie darstellt, weil sie die Schwächen der Elektroneurografie in der Sensitivität ausgleicht.

 

Ultraschall Nerven

Hintergrund

Motorische Defizite oder Parästhesien können Hinweise für das Vorliegen einer chronisch-inflammatorischen Neuropathie (CIN) sein. Dazu gehören beispielsweise die chronisch inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP), das Lewis-Sumner-Syndrom (LSS) und die multifokale motorische Neuropathie (MMN).

In der aktuellen S1-Leitlinie „Diagnostik bei Polyneuropathien“ werden als obligat in der Diagnostik Anamnese, klinische Untersuchung, Standardlabor und Elektrophysiologie genannt [1]. Die zu den elektrophysiologischen Untersuchungen zählende Elektroneurografie ist allerdings nicht sehr sensitiv, d.h. ein negativer Befund schließt eine Erkrankung nicht sicher aus.

In jüngster Zeit findet die Nervensonografie vermehrt Anwendung. Dieses Diagnose-Tool wird in der S1-Leitlinie unter den fakultativen Methoden der Diagnostik aufgeführt – zusammen mit weiteren bildgebenden Verfahren (MRT), Liquoranalytik, Biopsien von Muskeln, Nerven oder der Haut und einer erweiterten Laboruntersuchung.

 

Zielsetzung

Neurologen um Dr. Ingrid Herraets vom Utrecht Brain Center in den Niederlanden untersuchten die diagnostische Sicherheit der Nervensonografie in einer prospektiven Kohorte mit dem klinischen Verdacht einer CIN [2].

 

Methodik

Auswahl der Studienteilnehmer

Zwischen Februar 2015 und Juli 2018 wurden insgesamt 100 Patienten mit dem klinischen Verdacht einer CIN in die Studie inkludiert. Die Teilnehmer zeigten eine subakute oder chronische sensomotorische Polyneuropathie von mindestens 6 Wochen Dauer. Auch generalisierte Areflexie, sensorische Ataxien, ein rascher progressiver Verlauf, multifokale Schmerzen und weitere Symptome konnten vorliegen. Für einen CIN-Verdacht mussten mindestens zwei der festgelegten Symptome vorliegen. Überdies war das Ansprechen auf eine Therapie für die endgültige Diagnose entscheidend.

 

Neurosonografie und Elektroneurografie

Aller Patienten unterzogen sicher einer Neurosonografie und Elektroneurografie. In der Nervensonografie wurde der Nervenquerschnitt des Nervus medianus im Unter- und Oberarm an definierten Punkten gemessen. Weiterhin wurden die Querschnitte der Nervenwurzeln von C5 bis C7 bestimmt.

Die Elektroneurografie umfasste die Messung der Nervenleitgeschwindigkeit. Daneben wurden die motorische Funktion verschiedener Muskelgruppen, die Griffstärke und sensorische Parameter bestimmt.

 

Ergebnisse

Insgesamt wurde bei 38 der 100 Studienteilnehmer die Diagnose einer CIN gestellt. Ein Großteil litt unter einer CIDP, 14 Teilnehmer unter einer MMN und 4 Teilnehmer unter einem LSS. Die Sensitivität der Nervensonografie betrug 97,4%, die Spezifität lag bei 78,9%. Umgekehrt verhielt es sich bei der Elektroneurografie: Hier lag die Sensitivität bei 69,4% und die Spezifität bei 93,5%.

Die Hinzunahme der Nervensonografie verbesserte die Diagnose einer CIN um 21,1% im Vergleich zur alleinigen Elektroneurografie.

 

Fazit

Die Studienergebnisse zeigen, dass Nervensonografie und Elektroneurografie als zwei komplementäre Tools in der Diagnostik von CIN zu betrachten sind und sich in ihrer Sensitivität und Spezifität ergänzen. Während die Neurosonografie eine hohe Sensitivität aufweist, zeichnet sich die Elektroneurografie durch eine hohe Spezifität aus.

Die Nutzung der Ultraschalluntersuchung von Nerven verbesserte in der vorliegenden Studie die Diagnose einer CIN signifikant. Daher fordern die Studienautoren, dass die Nervensonografie einen größeren Stellenwert in der diagnostischen Aufarbeitung bei Patienten mit CIN-Verdacht erhält.

 

Autor: Dr. Melanie Klingler (Medizinjournalistin)

Stand: 17.02.2020

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