„Wundermittel“ MMS enthält aggressive Chemikalien

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) warnt vor schweren Schäden durch das „Heilmittel“ MMS

Quelle: dpa/obe hpl

Hersteller des Arzneimittels MMS preisen ihr Produkt als Heilmittel auf ihren Internetseiten an – und Kunden kaufen es fleißig. Doch nun wird das Medikament als gefährlich eingestuft.

 

Nierenversagen, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Hautschäden, Atemprobleme, Verätzungen der Schleimhäute, Blutdruckstörungen – solche Beschwerden tauchen bei Patienten seit einigen Jahren in Deutschland und anderen Ländern auf. Die Ursache scheint ein angebliches Wundermittel zu sein, genannt Miracle Mineral Supplement (MMS), das die Patienten eingenommen hatten.

Doch das im Internet angepriesene Mittel ist nicht das, was es verspricht. MMS enthält aggressive Chemikalien. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) stuft MMS als Präsentationsarzneimittel ein.

Denn für Arzneimittel gelten strenge Vorschriften. Bei Funktionsarzneimitteln – wie der klassischen Kopfschmerztablette – ist allein die pharmakologische Wirkung ausschlaggebend. Dagegen werden Präsentationsarzneimittel wie das MMS als Produkte definiert, die zur Heilung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten bestimmt sind.

Hinzu kommt, dass sie diesen Eindruck beim Verbraucher durch Aufmachung oder Werbung erwecken. Auch diese Mittel müssen im Sinne eines vorbeugenden Patientenschutzes die Vorgaben des Arzneimittelgesetzes einhalten. Jedoch dürfen sie nur in Verkehr gebracht werden, wenn der Hersteller in einem Zulassungsverfahren Wirksamkeit, Unbedenklichkeit und Qualität belegt hat.

Doch mit der Einstufung als Präsentationsarzneimittel schafft das BfArM die Voraussetzung dafür, den Handel mit dem Produkt zu bestrafen. MMS wird über das Internet von verschiedenen Herstellern feilgeboten – meist zusammen mit einem „Aktivator“, einer Flasche mit verdünnter Säure oder als Kapseln.

EXPERTEN RATEN: HÄNDE WEG VON MMS

Das BfArM hat zwei Produkte genau überprüft: In der MMS-Lösung fand es das starke Oxidationsmittel Natriumchlorit. In den Kapseln MMS2 stieß die Behörde auf die Chemikalie Calciumhypochlorit. Mit dem angepriesenen „Aktivator“ vermischt, entsteht Chlordioxid (ClO2).

 

Diese hochreaktive chemische Verbindung aus Chlor und Sauerstoff ist ein giftiges Gas mit stechendem Geruch. Industriell wird die Chemikalie zur Desinfektion von Wasser und zum Bleichen von Textilien und Papier eingesetzt.

Trotzdem gehen Verbraucher immer wieder den Geschäftemachern und ihren Versprechungen auf den Leim – mit fatalen Folgen, auch bei Kindern. In mehreren europäischen Ländern, Australien, Neuseeland, Kanada oder den USA warnen die Gesundheitsbehörden vor dem Mittel. Auch hierzulande mahnen viele Experten und auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und das BfArM eindringlich: Hände weg von MMS.

Auf den ersten Blick könnte es widersprüchlich wirken, dass das BfArM einerseits von Produkten abrät, weil sie unvertretbare schädliche Wirkungen haben, diese aber zugleich als Arzneimittel bewertet. Doch genau diese Einstufung hilft beim Kampf gegen MMS: Hersteller brauchen nun zwingend eine behördliche Zulassung, um ihre Produkte als Heilmittel zu verkaufen.

Dafür müssten sie die vorgegaukelte Wirkung gegen allerlei Krankheiten wie Krebs, Malaria oder Hepatitis nachweisen – und auch die Unbedenklichkeit ihrer Produkte. Das halten Experten für ausgeschlossen.

Die Einstufung erleichtert den Landesbehörden die Kontrolle der Substanz. Wer nun im Internet oder auf einer Werbeveranstaltung MMS als gesundheitsförderndes, heilendes Präparat anbietet, muss sich vorsehen. „Bei MMS handelt es sich um Chlordioxid, eine Bleichchemikalie“, erklärt Matthias Heuermann vom Landeszentrum Gesundheit (LZG) NRW und betont: „Jeder, der das Zeug verwendet, ist einer zu viel.“ Nach der Einnahme von MMS seien Patienten schon mit schweren Problemen in Arztpraxen, Kliniken oder bei Giftnotrufzentralen gelandet.

Entsetzen hatte im vorigen Sommer die TV-Sendung „Kontraste“ ausgelöst. Sie hatte auch von Einläufen bei Kindern berichtet. Der absurden MMS-Werbung zufolge sollen damit Darmparasiten abgetötet werden, die angeblich zu Autismus führen. Das ist nicht nur falsch, sondern den zitierten Experten zufolge Körperverletzung, weil Kindern Darmverätzungen zugefügt wurden.

Wie viele Menschen sich auf MMS einlassen, weiß niemand genau. Es gebe unzählige Vertreiber, ein enormes Angebot, sagt Heuermann. Aber da alles übers Internet laufe, sei die Zahl der Anwender nicht überschaubar. „Viele Leute, die an MMS glauben, nehmen die Nebenwirkungen billigend in Kauf.“

Wer dann wegen der Folgeschäden Hilfe suche, verschweige dem Arzt oft die ganze Wahrheit. „In der Praxis werden diffuse, unklare Beschwerden genannt, die Patienten verschleiern aber, dass sie vorher MMS genommen haben.“

Gegen die gefährlichen Präparate gibt es nun zwar eine scharfe Handhabe. Aber Schlupflöcher bleiben: Solange Produkte im Internet oder auf Werbeveranstaltungen getarnt nur zur Desinfektion oder Wasserreinigung angepriesen werden, können Kontrollbehörden nicht einschreiten. Letztlich geht es nicht ohne den gesunden Menschenverstand des Verbrauchers.

 

https://www.welt.de/gesundheit/article137893602/Wundermittel-MMS-enthaelt-aggressive-Chemikalien.html

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Kommentare: 1
  • #1

    Astou Fall (Samstag, 05 Januar 2019)

    Es gibt historische Befunde über den Wirkstoff MMS. Hier geht es offensichtlich nur um genügend Aufklärung über das Mittel und dessen Verwendung.
    Im Gegenzug vertreibt die Pharmaindustrie in hohem Mass Medikamente, die grosse Schäden bei den Verwendern bewirken. Der wirtschaftliche Profit steht im Vordergrund!